Errichtung des Neubaus

Als überbordende Anmeldungswünsche zu Anfang der Siebziger-Jahre zur Ausweitung der Schulräume über Wandsbeker-Allee und Wandse hinaus erfordert hatten und zusätzlich Schulraum in der Schule Bandwirkerstraße gemietet werden musste, hatte die damalige Schulgemeinschaft bereits seit längerem begonnen, durch eine Bauumlage Kapital für einen Neubau zu bilden. Da zahlten Eltern jeden Monat Geld für eine zukünftige Schule, die die eigenen Kinder als Schüler nicht mehr würden besuchen können. Es waren dadurch sechs Millionen DM angesammelt worden. Die Vorstandsmitglieder setzten die Grenze für die finanzierbaren Baukosten auf zweiundzwanzig Millionen DM fest.
Während der Planung des Neubaus hatte die Elternschaft Bereitschaft erklärt, durch Arbeitseinsatz zum Umbau des vorhandenen Altbaus beizutragen. Die “Elternmitarbeit” wurde von einem “Expertenkreis” aus Fachleuten aus der Elternschaft zusammen mit dem Ingenieur Jens Wende, dem Vater eines Schülers, der die Aufgabe übernommen hatte, den Gesamtablauf zu leiten, geplant und angeleitet. Auch Schüler waren als einzelne oder im Klassenverband zum Teil erheblich an den Arbeiten beteiligt.
In allen Gewerken musste nacheinander und zum Teil gleichzeitg gearbeitet werden: Abbruch, Aushub, Gründung, Schalung, Bewehrung, Beton, Mauern, Verputzen, Fliesen, Plattenmontagen, Wasser- und Abwasser-Installation, Elektroinstallation, Tischlerei (Podeste, Herstellung und Einbau fast aller Innentüren, Decken-Holzverkleidungen, Parkettlegen, Klassen-Sideboards und -Schränke), Zimmerei (Innenhofüberdachung, Übergang zum Altbau), Schlosserei (Geländer, Bühnendecke, Beleuchtungsklappen und -gänge, Altbauunterfangungen) und ‘endlose’ Malerarbeiten! Etwa zwei Millionen DM an Arbeitskosten konnten auf diese Weise an Einsparungen zum Gelingen des Baues beigetragen werden. Aber die Arbeiten am Innenausbau zogen sich noch bis 1987 – 1988 hin.
Die enge Zusammenarbeit der Beteiligten führte zu vielen Freundschaften. Herr Theodor Fröhlich, Schülervater, hatte uns alle wieder und immer wieder aufs Neue zu weiterer Beteiligung an Arbeiten angeregt. Zur 25-Jahr-Feier, am 30. Januar 2010, hatte er eine Ansprache vorbereitet:
“Im Nachhinein waren diese 2 Jahre fast uns allen „Damaligen“ ein besonderes Lebensgeschenk, wie ich es persönlich dieser Art nie wieder erleben durfte – und wenn ich die vielen Gespräche der letzten 25 Jahre, die sich mit andren aus dieser Zeit immer mal wieder ergaben, erinnere – empfanden es viele, viele Eltern, Lehrer und auch einige Schüler von damals ähnlich oder auch genau so. Und wenn wir uns heute – auch durch Zufall – irgendwo (sei es auf der Straße, im Restaurant, im Konzert) begegnen, lächeln wir uns vertrauensvoll, ja vertraut und fast freundschaftlich zu. Du und ich / Sie und ich: Wir waren uns einmal für eine besondere Aufgabe unseres Lebens ganz nahe.”

Bilder aus der Bauzeit

Platten-AbräumenJens Kelting & Jens Wende – Zentrum der ElternmitarbeitEngelbert HeyerhoffBernd DauskardtGrundsteinfeierTägliches gemeinsames Essen!Türen, Türen, Türen . . . über 100 StückTheo Fröhlich & Dr. Leist während der Einweihungsfeier März 1985
Ansprache von Manfred Elson am ersten Schultag im Neubau
Liebe Schüler!
Als ich am 31. Dezember des eben vergangenen Jahres kurz vor neun Uhr nach Hamburg hineinfuhr, zeigte sich mir für einen kurzen Augenblick eine große und schöne Naturerscheinung: Es war ein bedeckter Tag, am Himmel eine langsam dahinziehende graue Wolkenschicht. Es hatte vor wenigen Tagen etwas geschneit; in der Nacht hatte es gefroren, so daß die Felder, Büsche und Bäume weiß überhaucht waren. Und da der Himmel bedeckt war, gab es in der Landschaft nur weiße, graue und schwarze Tönungen, keine Farben. Aber plötzlich kam doch etwas Leben in die bisher einheitlich graue Wolkendecke: Die ganze östliche Himmelshälfte begann sich zunehmend rot zu färben und war nach kurzer Zeit ganz durchflammt. Es war ein recht ungewöhnliches Rot, zart und doch intensiv, wie ein gerade aufleuchtendes Rosenrot. Und da der Blick nach Osten frei war und die Wolkendecke in diesem Augenblick am Horizont etwas aufriß, konnte man für eine kurze Dauer die aufgehende Sonne sehen, die als große rosenrote Scheibe die Farbe des östlichen Himmels in sich konzentrierte und steigerte. Dann zogen bald wieder graue Wolkenfetzen über die Sonne hin, und die nur wenige Augenblicke währende Erscheinung war vorüber, allseitig wieder Grau.
Durch diesen Sonnenaufgang wurde ich an eine Frage erinnert, die sich mir als älterer Schüler dieser Schule im Zusammenhang mit dem Dreikönigsspiel gestellt hatte. Das Spiel ist ja so angelegt, daß das Geschehen sich zunächst auf die Könige richtet, auf ihr Suchen nach dem Kind. Das erfüllt die Könige ganz und gar. Sie fragen bei Herodes und werden schließlich doch vom Stern zum Kind geführt; sie beten es an und bringen ihre Gaben dar. Dann verlassen sie das Kind, und das letzte, was von den Königen erzählt wird – ihr Traum, ihre Absicht, nicht zu Herodes zu gehen -, nimmt nur noch einen kleinen Raum ein. Das Spiel wird jetzt ganz von dem Geschehen um Herodes eingenommen, von dessen Kampf und von seinem Scheitern. Die Frage, die ich dabei hatte, war diese: Mit welcher Empfindung verlassen die drei Könige das Kind, nachdem ihr langes Suchen endlich zum Ziel geführt hatte? Ist es nur dieses, ein Ziel erreicht zu haben und über das Erreichte zufrieden heimzukehren, oder ist es mehr?
Die Antwort auf diese Frage drängte sich mir in Anblick des Sonnenaufgangs auf: Die Gewißheit, mit dem, was sie von der Begegnung mit dem Christuskind mitgenommen hatten, in ein neues Zeitalter aufzubrechen, mag als Empfindung in den Königen gelebt haben, eine Stimmung, die sich auch einstellen kann, wenn man das Morgenrot betrachtet. Mit einer inneren Morgenrotempfindung mögen die Könige das Kind verlassen haben.
Daß wir jetzt in unsere neue Schule einziehen konnten, ist ja ein Ereignis, auf das wir viele Jahre gehofft und auf das wir mit vielen Kräften hingearbeitet haben. Daß es die Dreikönigszeit ist, in der dies geschieht, das kann uns äußerlich zeigen, worauf es nun in der vor uns liegenden Zeit ankommen wird. Es darf uns nicht genügen, ein Ziel erreicht zu haben. Das neue Kleid, das die Schule bekommen hat, will auch innerlich erfüllt sein. Und vielleicht können wir dieser Aufgabe gerecht werden, wenn in uns etwas von der Morgenrot-Empfindung der Könige wach wird, wenn wir über die Zufriedenheit mit dem Erreichten hinausgehen und auch einen neuen inneren Aufbruch wagen.
Dies ist eine schwere Aufgabe, die wir nicht ernst genug nehmen können und die vor der ganzen Schulgemeinschaft steht, vor den Lehrern, Eltern und Schülern. Und für diese Arbeit wünsche ich uns allen Kraft und Mut und Zuversicht, damit gelingen kann, was so schön in diesen Tagen begonnen.

Am 11. Februar 1988 starb Manfred Elson in Folge eines Verkehrsunfalles.

Neubau der Schule und Umzug nach Hamburg-Farmsen ab 1983

Am achten Januar 1985 – im 63. Jahr ihres Bestehens – zog die Rudolf Steiner Schule Hamburg-Wandsbek, nach knapp zweijähriger Bauzeit, von der Wandsbeker Allee zum Rahlstedter Weg 60 in Farmsen. Bereits zu Beginn der Planung, die mit einer Architektengemeinschaft, Architektenbüro Seyfert, Stuttgart und dem Architektenbüro Karsten-Weber-Wuppermann, Hamburg, erarbeitet wurde, war deutlich, dass das vorhandene Gebäude – Altbau genannt – erhebliche Umbauten erfordern würde. Heute beherbergt es den größten Teil der Fachräume: Werkräume, Schmiede, Handarbeits- und Gruppenräume für den geteilten Sprachunterricht, die Naturwissenschaften, die beiden Abiturklassen sowie die neunten und zehnten Klassen.
Knapp 900 Schüler besuchen unsere Schule in 24 Klassen und 2 Abiturklassen (mit zusammen 40 bis 50 Abiturienten pro Jahrgang). Unterrichtet werden sie von etwa 110 Lehrern und Mitarbeitern. Eine ganze Reihe von ehemaligen Schülern, die den Umzug von Wandsbek miterlebt und am Schulbau mitgearbeitet haben, sind heute, nach 25 Jahren, wieder bei uns – als Eltern von Kindergartenkindern oder Schulkindern.